Roadtrip durch Skandinavien

Juli 30, 2019 Aus Von Elsa

An einem schönen Sommertag, Ende Juli fuhr ich nach Grenaa in Dänemark, wo mich die Fähre nach Vabrerg bringen sollte. Fast hätte ich die Fähre dort verpasst, weil der Strand kurz vor Grenaa so schön war. Ich badete in der glasklaren Ostsee und genoss die Aussicht auf die dänische Südsee am Strand.
Kurz vor Schließung des Check-Ins kam ich in Grenaa an – gerade noch rechtzeitig. Die Frau am Schalter prüfte mein Ticket und fragte: „4:45 Uhr, 6:15 Uhr oder 10:00 Uhr?“ Ich starrte sie an. Häh?! Sie wiederholte: „4:45 Uhr, 6:15 Uhr oder 10:00 Uhr?“ Ich hatte keine Ahnung, was sie meinte. Abfahrtszeiten? Die Fähre fuhr dann aber ganz schön oft… Und ich wollte doch jetzt aufs Schiff. „23:50 Uhr.“ sagte ich und meinte damit meine geplante Abfahrtszeit. „Sie haben einen Ruhesessel gebucht.“ Sagte sie. „Wenn Sie möchten, können Sie länger schlafen.“ Achso! Na dann. ich entschied mich für 6:15 Uhr, in weiser Voraussicht, dass ich sowieso nicht so lange schlafen konnte. Sie gab mir meine Bordkarte und einen Zettel für die Windschutzscheibe. Sov-bil – Schlafauto stand darauf. Ich rollte auf die Fähre, suchte meinen Ruhesessel und machte es mir gemütlich. Im Halbschlaf registrierte ich, wie andere sich um ihren Ruhesessel stritten und hoffte, wirklich die richtige Nummer gefunden zu haben. Dann döste ich weg.
Das Rumpeln des Motors riss mich aus dem Schlaf. Das ganze Schiff bebte unter der Arbeit des Bugstrahlruders, das das Schiff im Hafen drehte. Draußen war es bereits hell geworden und der Hafen von Varberg glitt am Fenster vorbei. Alle packten hektisch ihre Sachen um schnell zu ihren Autos zu kommen. Ich nutzte die Gelegenheit und machte es mir im leeren Abteil auf dem Boden zwischen den Sitzen gemütlich um noch etwas zu schlafen.
Um 5:30 Uhr riss mich der Staubsauger des Reinigungspersonals aus dem Schlaf. Die letzten Passagiere verließen den Raum und ich kam mir auf dem verlassenen Schiff zwischen dem hektisch arbeitenden Reinigungspersonal etwas komisch vor. Ich machte einen Spaziergang über das Sonnendeck, wo die Reinigungskräfte gerade den Boden schrubbten und den Kiosk mit Waren bestückten. Varberg lag still da. Auf den einsamen Straßen leuchteten einige Laternen aber es war kein Auto zu sehen. Der Himmel war bedeckt, die Luft schwül-warm und es roch nach feuchtem schwedischem Tannenwald.
Unten auf dem Autodeck stand mein Bus hinter zwei anderen PKWs auf dem ansonsten leeren Deck. Ich rollte von Bord über den leeren Hafenparkplatz in die Stadt. Der Zoll interessierte sich dieses Mal zum Glück nicht für mich und so konnte ich ungehindert nach Norden weiterfahren. Nach einem kurzen Nickerchen (der Schlaf auf dem Schiff war wohl doch nicht ausreichend) fuhr ich über Göteborg Richtung Nordosten am Vänern-See vorbei und bog kurz vor Karlstad nach Norden in Richtung Arvika zum Ferienhaus einer Freundin.
Die Landschaft war sehr abwechslungsreich. Zunächst wechselte sich schwedischer Nadelwald mit Agrarland ab. Dann führte die Straße am Götaälv entlang durch eine hügelige Waldlandschaft nach der sich die flache, weite Agrarlandschaft westlich des Vänern erstreckte. Je weiter ich in den Norden kam, desto dichter wurden die Wälder wieder. Die Straße führte an Flüssen und langen Seen durch unendliche Nadelwälder, bis ich schließlich mitten im Wald beim Ferienhaus ankam.
Die Tage im Ferienhaus waren schön. Wir sammelten Pfifferlinge, kochten Blaubeermarmelade und besichtigten die umliegenden Städte. Karlstad war eher langweilig, da es kaum schöne Altstadt zu bestaunen gab. Stattdessen gab es das, was inzwischen jede Stadt zu bieten hat: breite, geschmacklose Fußgängerzonen mit den üblichen Läden: H&M, Karstadt-Sport, SubWay, McDonalds…
Arvika überzeugte hingegen mit seinen kleinen verspielten Läden in schönen alten Holzhäusern. Große Wandmalereien zierten einige Hausfassaden und auf dem Markt wurden Gebäck, Beeren, Pilze, Trödel und Klamotten verkauft. Bemerkenswert fand ich, dass man überall mit Karte bezahlen konnte, sodass ich tatsächlich keine einzige schwedische Krone brauchte.
Vor dem Touristenbüro fragte uns ein Journalist, ob wir bereit wären, ein paar Fragen für seinen Artikel zu beantworten. Wir erzählten, was uns an Arvika gefiel: der Marktplatz, die Häuser und der Park. Unsere Antworten fanden wir 3 Tage später mit einem Fot in der örtlichen Regional-Zeitung.
Nach ein paar schönen Tagen fuhr ich durch endlose Nadelwälder, an Seen und Flüssen vorbei, weiter nach Norwegen und kam abends schließlich im Nationalpark Rondane an. Mein erster Stellplatz befand sich am Ufer eines kleinen Sees in einer kargen Landschaft oberhalb der Baumgrenze am Fuße des Muen. Am nächsten Morgen wurde ich von Schafen begrüßt, die ihren Kopf neugierig zur Bus-Tür hereinstreckten.
Die Tour zum Muen war eine gute Einstiegstour. Der Weg führte zunächst durch eine von Seen durchzogene, mit Krüppelsträuchern bewachsene Moorlandschaft. Erst auf dem letzten Stück ging es steil einen Berg aus Schutt und Geröll hinauf. Vom Gipfel bot sich eine schöne Aussicht auf Rondane, Jotunheimen und das Fjell bis zur schwedischen Grenze.
Zum Glück guckte ich vor der Weiterfahrt einmal in die Wetter-App und stellte fest, dass das Wetter nur noch die nächsten drei Tage schön bleiben sollte. So änderte ich meine Route und steuerte Rondeslottet, das Herz des Nationalparks an.
Die Mautstraße endete auf einem überfüllten Parkplatz vor dem Gebirgsmassiv. Ich parkte zwischen den Autos am Straßenrand, hatte aber eine schöne Aussicht auf die Berge.
Vom Parkplatz ging es mit dem Rad ca. 7 Km nach Rondvassbu, einer Herberge am Fuß des Bergmassivs. Von dort ging es zu Fuß einen steilen gras- und flechtenbewachsenen Hang hinauf Richtung Storrunden. Die Pflanzen wurden immer weniger, bis der Weg über eine Wüste aus unzähligen Steinen führte. Auf die Berge ringsum waren kahl und die Landschaft bestand nur noch aus großen, dunklen Schutt- und Geröllbergen. Das Laufen in den Geröllhalden war nicht einfach. Jeder Tritt musste genau überlegt sein. Manche Steinplatte wackelte und immer wieder kam ich vor lauter überlegen, wo ich meinen Fuß als nächsten hinsetzen sollte, vom Weg ab.
Unterwegs traf ich einen alten Norweger, der in strammem Tempo den Berg hinaufstieg. Er fragte mich, ob ich alleine sei. Ich bejahte. Er wollte wissen, was ich dabei habe. Klamotten und Essen? Und ob ich mich nicht der Gruppe vor uns anschließen wollte? Ich versicherte ihm, dass ich ausreichend Proviant und warme Klamotten dabei hätte und lieber mein eigenes Tempo gehen wollte. Er sah mich nachdenklich an. „Naja“, sagte er schließlich. „Hauptsache, da drin ist alles ok.“ Und tippte mit dem Finger an seinen Kopf. „Alles bestens!“ versicherte ich und er ließ mich in Ruhe.
Die Aussicht vom zweithöchsten Berg Rondanes reichte im Westen von Jotunheimen bis zum Jostedalsbreen, dessen Rücken weiß am Horizont glänzte. Im Norden hatte ich die Gipfel Rondanes im Vordergrund, im Hintergrund erstreckte sich das Dovrefjell. Nach Osten konnte ich bis zum Solenmassiv am Femunden, meinem Urlaubsziel vor zwei Jahren, gucken, im Süden erstreckte sich sanftes Hügelland und an dessen Horizont der Muen, auf dem ich am Vortag war.
Am nächsten Tag wanderte ich zu den Per-Gynt-Hütten. Der Weg führte zunächst an einem malerischen Fluss entlang durch einen Zwergbirkenwald. Ganz leicht ging es bergauf und bald war die Baumgrenze überwunden. Am Fuße des Rondane-Massivs ging es über kargen Flechtenboden auf die weite Hochebene bis ich schließlich die Per-Gynt-Hütten erreichte. Die kleinen Häuschen lagen versteckt in einer Senke teils freistehend, teils eng an den Hang geschmiegt. Einige waren aus Stein, andere aus altem Holz, das nach warmem Teer und Harz roch und mich an die alten Fischerhäfen auf Gotland erinnerte. Auf den Hausdächern wuchsen Gras, Blumen und Rhabarber.
Hinter den Hütten stürzte ein glasklarer Bach durch einen felsigen Canyon in die Tiefe.
Auf dem Rückweg brauten sich über Rondane und Jotunheimen Gewitter zusammen. Um mich herum donnerte es und dicke Regenvorhänge hingen von den Wolken. Nur über mir war der Himmel noch blau. Da die nächsten Tage Dauerregen angesagt war, beschloss ich, Rondane zu verlassen und Richtung Süden zu fahren. Im Regen zu wandern hätte mir zwar nichts ausgemacht, da die meisten Routen jedoch oberhalb der Bewuchsgrenze über Steinwüsten führten, die bei Nässe spiegelglatt wurden, wäre das Wandern schnell sehr gefährlich geworden.
Durch einsame Flusstäler und wieder unendliche Nadelwälder fuhr ich in den benachbarten Nationalpark Jotunheimen, wo ich an einem tosenden Wasserfall im Wald einen schönen Stellplatz fand.
Der Himmel war am nächsten Morgen durch wachsen aber es war trocken. Ich machte mich auf den Weg durch einen verwunschenen Urwald. Auf dem dicken Teppich aus Moos und Flechten wuchsen bis zu 300 Jahre alte, knorrige Kiefern und verkrüppelte Zwergbirken. Zwischen den Bäumen lagen Steine, wie von Riesen beim Murmelspiel hingerollt. Eingebettet in das Nadelwaldparadies lagen kleine Seen verwunschen zwischen den Waldhügeln. Die hohen Berge Jotunheimens bildeten den Rahmen dieser unberührten Landschaft, die jede Kanada- und Alaskareise überflüssig machte.
Zurück am Auto fing es an zu regnen und ich fuhr das Sjoa-Tal hinauf weiter Richtung Süden über einen knapp 1400m hohen Pass. Die Straße war hier von hohen Holzpfählen gesäumt, die bei Schnee den Straßenverlauf anzeigten.
Nach ca. 2 Std. erreichte ich Geilo, einen kleinen Touristenort am nördlichen Rand der Hardangavidda. Ich erkundigte mich im Touristenbüro nach Wandermöglichkeiten und fuhr an einen Ort, an dem ich bereits vor einigen Jahren einen Regentag verbracht hatte. Ich fand wieder einen schönen Platz mit theoretischem Blick auf den Hardangajørkulen-Gletscher, der aber leider von Wolken verdeckt war.
Den nächsten halben Tag verbrachte ich im Bus – es regnete. Nachmittags kam die Sonne heraus und ich unternahm einen Spaziergang zur nahegelegenen Fjellhütte, am dahinter gelegenen See entlang. Die Sonne schien über ein endloses, mit Steinen übersätes Grasland, das von Seen durchzogen war. Am Horizont waren in weiter Ferne Berge zu erkennen und alles wurde von prächtigen Quellwolken am Himmel überspannt. Am nächsten Tag fuhr ich zurück nach Geilo um dort den Prästholtseter, eine Art Tafelberg zu besteigen. Von oben hatte ich eine schöne Aussicht über die Hardangavidda. Um mich herum gingen überall Schauer nieder, aber ich blieb trocken.
Meine Zeit in Norwegen neigte sich dem Ende und ich fuhr nach Larvik, einer kleinen Hafenstadt am südlichen Ende des Oslofjordes. Auf dem Weg machte ich noch einen Abstecher zu Verdens Ende (das Ende der Welt), einer schmalen Halbinsel am Oslofjord. Die Insel war schön, aber sehr dicht besiedelt, was die Stellplatzsuche etwas schwierig machte.
Die Fährüberfahrt kam mir wie eine halbe Ewigkeit vor. Draußen stürmte und regnete es und alle mussten drinnen sitzen. Die Luft war stickig, es war eng und ich hatte das Vergnügen, direkt neben der Bühne, auf der ein Kinderbespaßungstheater auf Norwegisch gespielt wurde, zu sitzen.
In Dänemark war das Wetter leider nicht besser. Am nächsten Morgen rüttelte der Wind so heftig an meinem Bus, dass die Holzverkleidung an der Decke knarzte.
Da ich wenig Lust hatte, im Bus auf besseres Wetter zu warten, fuhr ich so lange gen Süden, bis die Sonne schien und landete schließlich auf Rømø. Dort stand die Heide in voller Blüte und tauchte die Insel in Lila.
Auf dem Weg nach Hause fuhr ich noch zum Westerhever Leuchtturm, den ich bisher nur von Postkarten kannte. Ich glaube, tagsüber ist es wegen der vielen Menschen keine große Freude, dort zu sein. Ich hatte einen Übernachtungsplatz in der Nähe und war abends zu Sonnenuntergang dort. Außer mir waren nur noch ein paar Fotografen unterwegs. Die Touristen waren alle weg und der Leuchtturm stand einsam auf einer saftigen Salzwiese, in der zahlreiche Vögel nisteten. So konnte ich eines der beliebtesten Touristenziele Deutschlands ohne viele störende Menschen genießen und kann es nur weiter empfehlen. St. Peter Ording war das zweite Ziel von dem ich dachte, es unbedingt gesehen haben zu müssen. Die Pfahlbauten fand ich auch einmalig und hatte sie so vorher noch nirgends gesehen. Den endlosen Strand, der auch von Autos befahren werden kann, fand ich dagegen weniger beeindruckend, da ich viel größere, breitere, endlosere und ebenfalls von Autos befahrbare Strände aus Rømø kannte und die Natur dort unberührter und schöner fand.
Bilder von der Tour gibt es hier.